Eine Podiumsdiskussion der Grünen in Ruhpolding lotete den Wert historischer Gebäude im Ort aus
Was passiert mit historischen Gebäuden in unseren Orten und Städten? Abreißen, aufwendig sanieren oder gibt es noch andere intelligente Lösungen? Bereits seit längerem hält in Ruhpolding die kontroverse Diskussion um den Erhalt des Kurhauses an. Nach den Plänen des Gemeinderats und Bürgermeister Justus Pfeifer (CSU) soll das 1933 gebaute und seit 2022 geschlossene Kurhaus verkauft und das Grundstück an den Investor für ein Hotelprojekt verkauft werden. Dieses soll dann auch einen neuen Veranstaltungsaal beinhalten. Dagegen machte Anfang letzten Jahres die Bürgerinitiative „Rettet das Kurhaus“ mobil. Im Mai letzten Jahres folgte ein Ratsbegehren der Gemeinde, das in einer komplizierten Fragestellung das Schicksal des Kurhauses mit der Sanierungsmöglichkeit des Hallenbads verknüpfte. Im Ergebnis soll das Kurhaus abgerissen und mit dem Verkauf die Sanierung des Vita Alpina finanziert werden.
Mit einer Podiumsdiskussion zusammen mit Experten für Denkmalschutz und Ortskernsanierungen wollte der Ortsverband der Grünen um Sprecherin Manuela Wittke jetzt das aktuelle Stimmungsbild in der Bürgerschaft erkunden. Unter dem Motto „Alte Mauer – neues Leben“ diskutierten Wolf Steinert vom Planungsbüro Hohmann Steinert aus Übersee, das sich mit Landschafts- und Ortsplanung beschäftigt, Architekt Wolfgang Sojer aus Siegsdorf – er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit energetischer Gebäudesanierung – sowie Helmut Müller und Dr. Peter Nawratil von der BI „Rettet das Kurhaus“. Die Moderation hatte Martina Steinbacher.
Rund 60 Zuhörerinnen und Zuhörer beteiligten sich nach den Expertenbeiträgen rege an der Diskussion. Wolf Steinert warnte vor dem „Ausbluten der Ortskerne“, wenn nacheinander Kino, Postamt, Bank, Metzgerei und zuletzt auch noch die Gasthäuser verschwinden. Dies habe auch Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben. Aufgrund der derzeitigen Zinslage seien millionenschwere Hotelneubauten „aktuell eher risikobehaftet“. Zudem drohten durch den langen Planungsvorlauf „Leerstände im Ort“.
Durch viele ortseigene Veranstaltungen, Radmessen und Veranstaltungen für Jugendliche biete der Kurhaussaal in Ruhpolding „echtes Potential“. Beispiele wie der im Schulterschluss zwischen Bürgern und Bauern initiierte Apfelmarkt in Bad Feilnbach mit bis zu 18.000 Besuchern seien positive Vorbilder für bürgerschaftliches Engagement. In Übersee hätte die Rettung des Gasthofs D’Feldwies durch Mitanpacken vieler Handwerker, Bürger und Geldgeber „eine große Eigendynamik“ entwickelt.
Helmut Müller, der bis 2008 1. Vorsitzender des Verkehrs- und Kulturvereins in Ruhpolding war und ein intimer Kenner der Ortsgeschichte ist, sah im Kurhaus „ein Teil der Ruhpoldinger DNA“. Nach der ersten Touristenwelle aus dem Norden in den 30er Jahren hätten Sepp und Anton Plenk in jungen Jahren mit drei anderen Ruhpoldingern und Arbeitslosen in einem sechsmonatigen Kraftakt das Kurhaus als neue Attraktion hochgezogen. Jahrzehntelang sei es mit Promiglanz und illustren Veranstaltungen ein Anziehungspunkt zwischen München und Salzburg gewesen. „Zur Einweihung brachte der Landrat die Baugenehmigung mit“, so Müller. Mit Schulabschlussfesten und ähnlichem sei der Kurhaussaal bis zur Schließung „das zentrale Veranstaltungszentrum im Süden des Landkreises“ gewesen, das jetzt fehle.
„Alte Mauern sind nicht nur eine Last“, zeigte sich Architekt Wolfgang Sojer überzeugt. Das beste Beispiel sei die Ruhpoldinger Tourist-Info, die im alten Bahnhofsgebäude untergebracht ist. Die Realisierung des Kurhauses in den 30er Jahren spreche dafür, „dass die Bausubstanz solide und gut ist“. Ein Saal mit Geschichte erfordere Nachdenken über gute Lösungen, eventuell auch moderne Anbauten. Eine komplette Entkernung sei „keine Lösung“, der Brandschutz aber beherrschbar. Gerade mit Blick auf Fördergelder könne eine Überprüfung in punkto Denkmalschutz hilfreich sein.
Peter Nawratil verwies auf die Bürgerwerkstatt, die bereits viele Ideen zum Weiterbetrieb des Kurhaussaals eingebracht hatte: Oster- und Weihnachtsmärkte, Tagungen, Konzerte, Sommer-Kino, Ausstellungen oder Hochzeiten. Sojer verwies ergänzend auf den Erfolg des KulTSommers in Traunstein, der vielen Bands eine Bühne biete. „Der gute Besuch heute zeigt das Interesse der Bürger am Kurhaus.“
In der Diskussion verwies Jürgen Gstatter auf einen „lebendigen Tourismus“, der wichtig sei für die Vermieter, „sonst wird Ruhpolding ein reines Übernachtungsdorf“. Veronika Hallweger machte auf die Personalnot und zum Teil schlechte Auslastung von Hotels aufmerksam, die gegen Großprojekte sprechen würden. Außerdem sei die „Grundstückssituation kompliziert“ auf dem geplanten Neubauareal. Alois Auer verwies als ehemaliger Projektsteuerer auf die Sanierung des Kurhauses in den 90er Jahren und die „weitgehend gute Substanz“.
Franziska Endrös warnte vor einer „Spaltung der Gesellschaft durch Konfrontation mit der Gemeinde“ und Bernd Magenau sprach sich für eine „gesichtswahrende Lösung aus“, die die Verwaltung nicht überfordere. Wichtig sei, „das Gespräch mit allen Gemeinderäten zu suchen“, um einen erneuten Antrag zu initiieren. Peter Beilhack hielt einen Saal auch für die Zukunft der Jugendarbeit der Vereine für dringend erforderlich: „Die Trachtler plattln schon auf dem Bürgersteig.“ Jochen Becker erklärte, die durch den Verkauf des Kurhausareals erzielte Summe reiche aus seiner Sicht „bei weitem nicht“ für eine Sanierung des Hallenbads. Thomas Siegel sah den Gemeinderat mit den aktuellen Planungen sogar „in einer Sackgasse“.
Mit neuen Initiativen sollen deshalb in nächster Zeit Möglichkeiten zur „Rettung des Kurhauses“ ausgelotet werden, darin waren sich die Besucher einig. Motivation dieser Veranstaltung war auch, dass das Ratsbegehren einen anderen Inhalt hatte als das Bürgerbegehren.