Sehr geehrter Landrat Walch,
Die aktuelle Debatte zur Asylpolitik dominiert die politische Landschaft aus meiner Sicht aus zwei entscheidenden Gründen:
- Der Anschlag von Solingen
- Die Wahlerfolge der AfD
Zum Anschlag von Solingen:
Jedes Mordopfer ist ein Opfer zu viel. Um solche furchtbaren Verbrechen in Zukunft zu verhindern, ist es entscheidend, unsere Sicherheitskräfte sowohl personell als auch gesetzlich so auszustatten, dass solche Taten möglichst nicht mehr geschehen können. Insbesondere die Gefahr durch islamistisch motivierte Gewalt wurde in den letzten Jahren oft unterschätzt. Hier muss die Prävention gestärkt werden, ohne jedoch eine pauschale Stigmatisierung von bestimmten Bevölkerungsgruppen zuzulassen.
Zu den Wahlerfolgen der AfD:
Es ist bedauerlich, dass der Aufstieg der AfD dazu führt, dass zunehmend auch demokratische Parteien einen schärferen Kurs in der Asylpolitik einschlagen. An vorderster Front agiert dabei der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, gefolgt von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Leider scheint auch unser Landrat Walch diesem Trend zu folgen.
Die Vorschläge von CDU/CSU unterscheiden sich mittlerweile kaum von denen der AfD, insbesondere, wenn es um die Sicherung der Grenzen geht. Eine vollständige Sicherung der EU-Außengrenzen erscheint nicht nur logistisch unmöglich, sondern erinnert auch an düstere Zeiten unserer Geschichte. Der Fall der innerdeutschen Mauer wurde vor 30 Jahren als Triumph der Freiheit gefeiert – niemand möchte ernsthaft in solche Verhältnisse zurückkehren.
Kritik an den Vorschlägen von Landrat Walch: Ihre Forderungen nach verstärkten Abschiebungen und dem sofortigen Stopp aller Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber*innen klingen auf den ersten Blick einfach. Doch auch Ihnen sollte bewusst sein, dass Deutschland ein föderaler Staat ist. Besonders die CSU betont stets die Bedeutung des föderalen Systems. Somit betrifft Bürokratieabbau alle staatlichen Ebenen – von der Bundesregierung über die Länder bis hin zu den Kommunen.
Die aktuelle Unterbringungssituation im Landkreis Traunstein zeigt zudem, dass strukturelle Probleme angegangen werden müssen, bevor pauschale Forderungen nach einer „Migrationswende“ gestellt werden. Im Juli lebten 2.158 Menschen in Asylunterkünften, davon 1.110 sogenannte „Fehlbeleger“ – also Menschen, die bereits anerkannt wurden, aber aufgrund von Wohnungsmangel nicht aus den Unterkünften ausziehen können. Hier muss dringend bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, bevor weitergehende Verschärfungen diskutiert werden.
Insgesamt ist es dringend notwendig, die Debatte zu versachlichen. Fakten statt Emotionen sollten im Mittelpunkt stehen, um die drängenden Herausforderungen zu bewältigen. Polemik nutzt am Ende nur der AfD – und das kann nicht im Interesse unserer Demokratie sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Willi Geistanger
Wernleitenstraße 3, 83313 Siegsdorf