Fraktionsvorsitzender Ludwig Hartmann beantwortet Fragen zum Klimaschutz in Pertenstein
Auf seiner Wahlkampftour durch Bayern ist Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bayerischen Landtag, am Mittwoch auch nach Pertenstein gekommen, wo er sich zusammen mit Gisela Sengl, agrarpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag, und Bundestagskandidat Wolfgang Ehrenlechner den Fragen der Besucher stellte. Das zentrale Thema des Abends lautete „Klimaschutz – der Blaueisgletscher als Zeuge“. Musikalisch umrahmt wurde der Abend im Marstallsaal, der vom Traunreuter Grünen-Ortsverband organisiert wurde, von den Geschwistern Hundmayer und der Gruppe Cuartuno.
Wie dramatisch sich der Klimawandel – nicht weit entfernt – in den bayerischen Alpen darstellt, zeigte Wolfgang Ehrenlechner aus Teisendorf anhand von Zahlen auf. Der Blaueisgletscher, größter noch vorhandener Gletscher im Gebiet Traunstein/Berchtesgadener Land, schrumpfte in den Jahren 2009 bis 2018 auf die Hälfte zusammen, von 560.000 auf 280.000 Kubikmeter Umfang. „Wir werden die Alpengletscher nicht mehr retten können, aber wir können weitaus schlimmere Auswirkungen des Klimawandels noch verhindern“, betonte Wolfgang Ehrenlechner. Die Vorgaben aus dem Pariser Klimaabkommen müssten eingehalten, die erneuerbaren Energien ausgebaut und die Bürger auf dem Weg zur Klimaneutralität mitgenommen werden.
Gisela Sengls Forderungen: Man dürfe in Deutschland nicht auf dem jetzigen Stand stehenbleiben, sondern müsse alles an erneuerbaren Energien ausnutzen, was geht. Bisher sei die Energiewende nie richtig ernst genommen worden. Außerdem müsse man „in die Breite gehen“, das Thema in die Öffentlichkeit tragen, und besonders die Bürgerbeteiligung sei wichtig. „Klimaschutz ist Menschenschutz, das wissen wir nicht erst seit der Flutkatastrophe im Juli“, erklärte die Landtagsabgeordnete.
Für Ludwig Hartmann ist eine Energiewende nur mit einem massiven Ausbau der Gewinnung von Energie aus Sonne und Wind machbar: „Wind und Sonne sind unbegrenzt verfügbar.“ In Bayern, dem größten Flächenland in der Bundesrepublik, sei allerdings der Ausbau der Windkraft fast zum Erliegen gekommen. Die fünffache Menge an Strom aus Windenergie und die vierfache aus Solarenergie sei künftig nötig, damit „sauberer Strom“ eines Tages Öl und Gas ersetzen kann. Klar sei: „Klimaschutz funktioniert nur richtig, wenn er weltweit passiert. Das entbindet uns aber nicht aus unserer Verantwortung.“ Man müsse jetzt ein deutliches Signal geben, wann Schluss mit fossilen Brennstoffen ist, dann hätten auch Unternehmen und Entwickler eine verlässliche Aussage und Planungssicherheit. Man müsse „die Natur als Verbündeten begreifen und nicht als Gegner“. Die Grünen hätten bereits bei der Regierungsbeteiligung in den Jahren 1998 bis 2005 gezeigt, „dass wir Energiewende können“. Damals sei in Sachen erneuerbaren Energien schon viel auf den Weg gebracht worden.
Gretl Gineiger aus Stein a. d. Traun wiederholte eine Frage, die ihr selbst häufig gestellt werde: „Warum soll gerade das kleine Land Deutschland anfangen, wo doch Amerika und China viel mehr CO2 ausstoßen?“ Ludwig Hartmann führte dazu aus, dass man nicht nur die Größe des Landes sehen dürfe. Deutschland liege beim Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 weltweit auf Platz elf. Hartmann erklärte: „Wir sind doch ein Land von Denkern und Tüftlern.“ Maßnahmen zum Klimaschutz müsse ein Land anstoßen, das das nötige Geld für die Entwicklung hat. Gisela Sengl meint zu dem Thema: „Wenn wir es nicht zusammenbringen, wer dann?“
Zur Mobilität hatte ein Besucher eine Frage, der anstatt auf E-Autos lieber auf Wasserstoff-Antrieb setzen würde. Ludwig Hartmann steht Wasserstoff grundsätzlich positiv gegenüber, aber „das geht wieder nur mit sauberem Strom“, der für die Herstellung des Wasserstoffes gebraucht wird. Bei allen Kurzstrecken mit dem Auto sei E-Mobilität in jedem Fall vorzuziehen. Beim Schwerlastverkehr sieht er allerdings auch noch Probleme, die erst beseitigt werden müssten.
Martin Czepan, Mitglied im Traunreuter Stadtrat, wollte wissen, was man im Winter tun soll, wenn Wind und Sonne rar sind, „müssen wir dann Strom importieren?“ Laut Hartmann dürfte sich die sehr kalte Zeit, in der nicht ausreichend Strom produziert werden kann, in Grenzen halten, und man könnte dann beispielsweise für ein paar Wochen auf Strom aus Biogasanlagen zurückgreifen.
Ein anderes Thema griff ein anwesender Biobauer auf, der befürchtet, dass mit dem kommenden Verbot der Anbindehaltung in Kuhställen und mit dem nicht kostendeckenden Milchpreis immer mehr Landwirte aufgeben müssen. Gisela Sengl dazu: „Uns Grünen ist bewusst, dass die Landwirtschaft das Rückgrat für unsere Kultur ist.“ Ihre Partei wolle die regionale Wertschöpfung und den bayerischen Regionalmarkt stärken. Dass Kühe das ganze Jahr angebunden sind, findet sie selbst aber „Tierquälerei“, und „diese Milch muss einen anderen Preis haben“. Es sei aufgrund einer Bundesratsinitiative aus dem Jahr 2016 eine zwölfjährige Frist für alle Landwirte eingeräumt worden, die Anbindung in ihrem Stall abzuschaffen, „das ist ein klares Ziel“.
Für „weniger statt mehr“ plädierte Martin Czepan am Ende der lebhaften Diskussion. „Wir dürfen nicht immer noch mehr verbrauchen.“ Man könne auch anstatt mit einem Zweitauto mit Verbrennungsmotor mit dem E-Bike fahren oder Car-Sharing betreiben: „Wir müssen genügsamer werden.“ Pia Mix
(4. September 2021)